I’ll go until my heart stops

Between the seasons we find room

36 Crazyfists – I’ll go until my heart stops

Liebe fragt nicht, wo Platz ist. Man kann sich immer noch dagegen entscheiden ihr zu folgen. Zurückhaltend geht es im inneren Monolog dabei nicht zu. Das Ob, das Wie, das Was Wäre Wenn – alles unwichtig.

And I like the way your lips turned legendary
And I like the way the sun will come to light
And I like the way your lips turned legendary
And I like the way the sun will come to light

Manchmal wird man weggefegt und möchte sich gar nicht wehren. Hast du schon mal deine Lippen gesehen? Selbst wenn man über Konsequenzen nachdenkt. Hast du dir schon mal wirklich in die Augen gesehen? Selbst man versucht, vernünftig zu sein, gewinnt auch mal das Herz. Warum auch nicht? Jede gute Entscheidung, kann auch im Chaos enden. Davon habe ich so einige.

But it won’t be long until it’s your very last goodbye
Decide to make it hard to find, but make it

Eine schwierige Entscheidung, muss auch nicht automatisch schlecht sein. Schlecht ist das Vermissen, das Verlangen und die unterschwellige Angst, die man manchmal hat. Los zu lassen, macht mir Angst. Aber nichts, das wertvoll ist, ist immer einfach. Und du bist so wertvoll, dass ich hoffe, du kommst immer wieder zurück zu mir.

And if you decide that you need a thousand heartaches
A thousand heartaches
Heading to this hotel room, was the greatest mistake
The greatest mistake

Und so ist aus einer schlechten Entscheidung, einem Hotelzimmer und einer kleinen Fehleinschätzung der Konsequenzen, etwas wundervolles geworden. Und nicht nur ein kleiner Flirt. Ein unvernünftiger Fehler als Grundstein dafür, dass Konsequenzen plötzlich zwar nicht egal sind, sondern gerne getragen werden. Mühe für dich fühlt sich schon egoistisch an, weil ich so viel bekomme.

And I want this all to be just necessary so when the darkness comes we won’t need the light
And I want this all to be just necessary so when the darkness comes we won’t need the light

Die Entfernung zu dir ist nicht mehr hinderlich, sondern der Weg zu dir ist notwendig geworden. Weil es nicht darum geht, ob man eine Fernbeziehung will oder wie regelmäßig man sich im Arm halten kann. Sondern all das ist nötig, damit wir einen Weg zusammen finden können. Den man zusammen geht. Anstrengend oder nicht. Hier ist der Weg wirklich das Ziel und nichts bringt mich dazu zu stoppen.

But it won’t be long until it’s your very last goodbye
Decide to make it, between the seasons we find room
Between the seasons we find room to breathe out
Between the seasons we find room to breathe out

Also gehen wir gemeinsam diesen Weg, halten unsere Atem an und Hand in Hand bald gemeinsam wieder aus. Immer in den kleinen Räumen, den Momenten geteilter Zweisamkeit. Denn wenn jemand mein Herz zu schlagen bringt, gehe ich auch weiter bis es stoppt. Ich bin froh, dass es dich gibt.

36 Crazyfists – I’ll go until my heart stops

 

Liebe. Voll.

Now that we’re worlds apart

I feel like a lesser man all balance outta control

World’s Apart – Emil Bulls

World’s Apart von Emil Bulls ist seit sehr langer Zeit mein Lieblingslied. Es ist Teil meiner musikalischen Heiligen Dreifaltigkeit. Technisch ist es wohl kein herausragender Song, aber er zeigt ungefiltert einen großen Teil meiner Persönlichkeit. Fast genauso lange ist es her, dass ich einfach schreiben musste. Mein alter Blog war dazu da, um das Ungefilterte zu sortieren und ihm eine konstruktive Form zu geben. Um die rohen Emotionen in etwas Nützliches zu verwandeln. Wegen der rohen Emotionen belächelt man als etwas älterer Mensch auch Teenager-Liebe. Weil Liebe eben sehr viel ist, besonders ohne die Gewissheit, dass man das Ganze – egal wie es läuft – schon überlebt. Mit dieser Gewissheit, verliert Liebe etwas den fiesen rechten Haken. Dachte ich und bekam jetzt einen Roundhouse Kick ins Gesicht.

State of mind strange and vain

Good night sleep tight

I can’t get a shut eye

Ich bin von Gefühlen überwältigt, die so viel größer sind als ich, der nur machtlos daneben steht und sich jetzt Wort für Wort und Zeichen für Zeichen seine Zurechnungsfähigkeit zurückerobert. Die Emotionen schlagen so hoch, dass ich anfange nicht wenig Demut zu empfinden, bevor ich vielleicht von einer Welle wegfegt werde. Teenager-Liebe kommt mir immer wieder in den Kopf während ich keinen Schlaf finde.

My spirit dissappears like breath on a mirror

Ich habe mehr Date-Erfahrungen als ich willig bin zu erzählen. Spätestens seit 8 Jahren baue ich da ein gewisses Expertentum auf, das ich mir lieber erspart hätte. Aber ich weiß, wie es knistern kann, wenn man wen kennenlernt, wie spannend Sex mit wem neues sein kann und wie schnell auch ein Gefühl von Verknalltheit wieder verschwinden kann. Genau wie früher mehr Lametta war, ist der Anfang immer schön. Ich habe Menschen kennengelernt, bei denen ich sofort sicher war (und richtig lag), dass daraus etwas Festes wird. Ich bin zwei mal nach wenigen Wochen mit jemandem zusammengezogen (und ein Mal war es eine gute Idee).

I need you more than you will ever know

Ich bin mir aber auch bewusst, dass anfängliches verknallt sein, verliebt sein oder wie ihr es auch immer nennt, nicht Liebe sein muss. Manchmal schwanken Gefühle, mal lernt man neue Facetten kennen, mal ändert sich das Zusammenspiel plötzlich. Wenn ich mich auf etwas schnell einlasse, dann nicht weil ich naiv bin, sondern weil es ein Risiko ist, das ich eingehe. Aber ich bin auch die hier sitzt, von der Naturgewalt Liebe entwurzelt wurde und sich sagt, dass es sich nur um einen Serious Case of Penisgesteuerte Verknalltheit handelt.

You’ve come to mean the world to me

Wie kann es denn sein, dass man jemanden auf Twitter kennenlernt und sich daraus die gefühlstechnische Götterdämmerung entwickelt? Auch hier bin ich mir, dank negativer Erfahrungen, wieder bewusst, dass online alles anders sein kann als offline. Mit anderen Worten, Lametta ist manchmal auch nur Alufolie vom Käsebrot, das 6 Wochen im Schulranzen vergessen wurde. Aber genau deswegen trifft man sich ja vorher auch mit anderen Leuten. Also ich zumindest. Dann verschwindet der Twitter-Crush schon in der unendlichen Flut der täglichen Eindrücke. Gut, in dem Fall habe ich mich dann geirrt. An andere Menschen denken, ist auch ein Konzept, das keine Zukunft hat. Aber genau deswegen ist man ja erwachsen genug, sich völlig rational auf ein Treffen einzulassen, um die Position mal ordentlich zu reflektieren. Problematisch sind dabei vielleicht die 976km Entfernung.

I wonder if you’re sleeping while I’m crying in my beer

Fair geteilt, ist das ja handhabbar. Zumindest für das eine Mal und ein zweites wird es sicher nicht geben. Lametta und so. Scheinbar dachten wir das auch beide so, es ist ja auch einfach. Keiner ist eine härtere Bitch als die Wirklichkeit. Wenn die uns links und rechts eine verpasst, dann muss man nicht mal mehr die richtigen Worte suchen, sondern das Wichtige ist offensichtlich und die Arbeit übernimmt unsere kleine Freundin die Enttäuschung. Pustekuchen. Es ist jetzt 26 Stunden nach dem „Tschüß“ und ich habe immer noch eine massive Leere im Magen, die schwerer wiegt als jeder Stein und nach und nach zum Schwarzen Loch wird. Ich habe jemanden getroffen, der anders ist als erwartet, der aber einfach nur ist und mir ganz nebenbei mehr gibt als ich in Worte fassen kann. Jemanden, der Zitat „Nichts besonderes“ macht und gerade an „Nichts“ denkt und damit mehr richtig macht als würde man mir jeden Wunsch von den Augen ablesen. Jemand, der einfach nur sein kann. Mit dem man zusammen sein kann. Und dadurch mehr ist. Dein Nichts ist für mich mehr als die ganze Liebe anderer. Wenn ich keine Fotos machen kann, weil ich mich nicht von den Augen von jemandem lösen kann, dann ist das auch eine neue Erfahrung für mich.

We’re worlds apart

I wish you were here

Das Schwarze Loch im Magen lässt mich zittern und nicht wenig Tränen vergießen, weil ich überwältigt bin während ich mir immer wieder sage, dass so etwas noch lange keine Liebe sein kann. Verknallt sein kann schnell verschwinden und so kann das hier auch sein. So hat auch dieses Lied einen weiteren, etwas negativeren Teil und welche davon mehr Stimmen wird, das vage ich heute nicht zu sagen. Andererseits ist das hier ein langer Text voller Irrtümer. Dass ich von Emotionen mitgerissen werde, passiert schon mal. Das gehört zum kalkulierten Risiko. Dass ich von positiven Emotionen überwältigt werde, das ist neu. Genauso wie es für mich neu ist, dass ich manchmal nur schwer atmen kann, weil ich jemandem so sehr vermisse. Beim nachdenken über Liebe, komme ich immer wieder bei der Teenager-Liebe an. Die ungebremst, roh, naiv und fatalistisch ist. Man liebt jemanden voll – ist nicht nur liebevoll in seiner Anteilnahme – sondern liebt voll, mit jeder Faser seines Körpers. Nimmt dadurch Anteil, den anderen in sich auf, ist ungebremst in dem Moment und kann sich nicht mehr wehren. Ob das wieder verschwindet? Bestimmt nicht spurlos. Aber so sollte Liebe sein und das weiß ich wieder.

Liebe voll.

 

Haltung. Zeigen.

den Angriff Russlands auf die Ukraine haben, denke ich, alle mitbekommen. Jetzt kreisen in den Schulen scheinbar viele Diskussionen darum, wie damit umzugehen sei. Nicht nur wie, sondern auch ob die Ereignisse thematisiert werden sollen. Was das richtige Vorgehen sei und vor allem, die richtige Perspektive. Ich verstehe die Angst vor diesem Thema, aber ich teile sie nicht. Ebenso akzeptiere ich die Sorge, um einen Kontrollverlust. Kontrolle gibt es aber genauso wenig, wie unser Pult eine Schutzmauer gegen die Lebenswelt der Schüler*innen ist.

An den Schulen sind nicht nur Geflüchtete oder deren Nachkommen. Sondern auch Kinder deren Eltern jetzt bei der Bundeswehr in Alarmbereitschaft sind. Es sind junge Erwachsene, die sich mit ihren Familien über die Bewertung der Lage streiten, weil die einen die Süddeutsche lesen und die anderen Telegram Kanäle. Es sind Familien, die russisches und ukrainisches Migrationserbe haben und sich daran nun teilen. Unser Pult ist keine Schutzmauer vor der Lebensrealität der Schüler*innen. Es ist nicht optional, es ist unsere verdammte Pflicht:

die Persönlichkeit der Schülerinnen und Schüler auf der Grundlage des Christentums, des europäischen Humanismus und der Ideen der liberalen, demokratischen und sozialen Freiheitsbewegungen weiterentwickeln.

Bildungsauftrag der Schule §2 Abs. 1 NSchG.

Wer dabei Angst empfindet, ist realistisch. Wer dafür aber nicht den Arsch in der Hose hat, sollte vielleicht seinen Berufsethos überdenken. Es ist einfach, sich als Lehrkraft überlegen zu fühlen. Jedoch ist Schule nicht nur da, wo ein Lösungsheft bereit steht und Erwartungshorizont belegbar ist. Schule ist Lebensrealität. Es geht darum Haltung zu zeigen. Aufzustehen. Es geht nicht darum, die richtige Antwort zu zeigen, sondern mit den Schüler*innen zu sprechen. Menschen- und Völkerrecht sind nicht verhandelbar. Beide werden von Russland seid Jahren missachtet. Wer jetzt keine Haltung zeigt, der zeigt auch keine Haltung gegenüber der Demokratiefeindlichkeit, der Homophobie und der Fremdenfeindlichkeit, die von dort aus seit Jahren betrieben werden. Unsere Freie Demokratische Grundordnung wird seit Jahren unterwandert und das kommt über diverse Dienste auch bei uns an. Es sind Eltern, die Corona leugnen, es Schüler*innen, die mit Reichsbürgermentalität erzogen werden und es sind Menschen, die den Staat ablehnen. Wenn ihr im Unterricht Fehler macht, dann ist das nur menschlich. Es ist auch viel besser als Fake-News das Feld zu überlassen.

Es ist Teil unserer Lebensrealität, dass wir in einem Staat Leben in dem Politiker erschossen wurden, weil sie freundlich gegenüber Flüchtlingen waren. Wir leben in einer Gesellschaft in dem Menschen ihren Migrationsschatz mit uns teilen und währenddessen von einer Terrorgruppe umgebracht werden und dann als Döner-Morde kategorisiert werden. Ich bin mir bewusst, dass Migration an Schulen nichts einfacher macht. Ich spreche drei Sprachen, kann Hurensohn inzwischen aber auf neun Sprachen übersetzen. Ich löse an meiner Schule Konflikte Schiiten und Sunniten. Nichts davon wird mir entlohnt und es kommt nur auf das Konto der unzähligen Überstunden. Dafür tragen aber nicht die Kinder die Verantwortung.

Wir brauchen das Rückgrat, um hier nun für neue Menschen mit einem anderen Migrationserbe grade zu stehen. Es liegt an uns Ungerechtigkeit und Hass etwas entgegen zu setzen. Solange unsere Sorge Kontrollverlust in 45-Minuten-Zyklen ist, ist noch alles gut. Zeigt Haltung. Sorgt dafür, dass es so bleibt. Und ja: Alles wird schwerer. Aber Migration ist ein Schatz, der auch alles schöner macht.

 

Hassökonomie

Heute ist es kaum zu glauben, das Internet war mal so etwas, wie eine Subkultur. Ein sozialer Raum in dem Sinne, wie der Hinterhof eines Gothic Clubs, komplett mit Patchouli-Nebel und Zigarettenstummeln. Als Dorfkind, mehr noch Dorfnerd, war es eine magische Mischung aus Rückzugsraum und Tor zur Welt. Einer der wenigen Wege, wie man als Eigenbrödler eigentlich mehr Kontakt zu anderen Menschen hatte als sonst, wenn auch nicht physisch. Auch damals war das Internet groß und voller Schrecken, es gibt nichts zu romantisieren. Aber eine gute Lebensweisheit war: Die Trolle nicht füttern. Ignoriert das Negative und konzentriert euch auf den positiven Teil der Community.

2020 ist das Internet Lebensraum geworden. Es gibt Milliarden Menschen, die nicht nur mit dem Internet aufgewachsen sind, sondern ein Leben ohne Internet nicht kennen. Das ist in der Konsequenz viel weitreichender als erst später dazu gekommen zu sein. Das Internet ist absolut, nicht steigerbar, es ist gegeben, da es für diese Menschen schon immer da war als Kommunikationskanal, wie Zeitungen, wie Fernsehen oder wie Sprache an sich. Daher lässt sich auch der Wert des Internets, sei es auch nur in Form von Instagram und Tiktok, für viele erklären. Es abzuschalten ist ähnlich abwegig, wie mit geschlossenen Augen durch die Straße zu laufen. Don’t feed the trolls ist das eine, Ignoranz der Realität das andere.

Das Internet ist schon lange real geworden. Es ist ein normaler Kommunikationskanal. Es ist keine abgelöste Welt, sondern Taten im Netz fordern Konsequenzen in der physischen Welt und vice versa. Die Trolle verhungern zu lassen hat keinen Sinn mehr. Zum einen werden sie zu gut gefüttert, zum anderen sind es inzwischen keine Trolle mehr, wie früher. Es sind echte Personen, die diese Einstellung auch ins echte Leben tragen.

George Floyd hat die Trolle nicht gefüttert als er passiv am Boden lag. Trotzdem haben die Trolle ihn gefressen. Rassenhass, systematischer Rassismus und Intoleranz existieren nicht erst seit dem Netz. Aber es erhärten sich die Beweise, das es durch bestimmte Plattformen wieder einen Aufschwung gibt. Und ich trage dafür eine Mitschuld. Ich trage eine große Schuld, durch die kleinen Dinge. Das fängt damit an, dass ich nur den Kopf schüttele, wenn Schulen den Namen mancher Schüler auch nach fünf Jahren nicht richtig schreiben können. Es hört damit auf, dass ich Plattformen wie Facebook unterstütze.

Facebook nahm eine zentrale Rolle in der Wahl von Trump ein, es nahm eine zentrale Rolle im Brexit ein, es nimmt eine zentrale Rolle in rechtsradikalen Diskursen sein. Dabei geht es nicht nur, um die Kommunikationsplattform, sondern auch um die erhobenen Daten. Ich habe kein Problem, mit nerviger Produktwerbung. Ich habe ein großes Problem, wenn die Daten dazu genutzt werden, demokratische Prozesse zu untergraben. Genau das passiert durch Microtargeting und andere Methoden. Ich weigere mich auch damit ein Unternehmen zu unterstützen, dass Hass in Geld verwandelt und Politiker, die Hass in Macht verwandeln. Im Netz entsteht eine Hassökonomie, die vorher nicht möglich war. Und das reicht mir nicht nur, weil dadurch Spinner unterstützt werden. Auch weil dadurch Menschen sterben, Demokratien wackeln und das gesellschaftliche Wohl vermindert wird. Don’t feed the Trolls ist keine Lösung mehr. Was die Lösung ist, weiß ich nicht.

Addendum:

Bei Fremdenfeindlichkeit mag ich zwar resistent sein, aber mir wird immer wieder bewusst, wie abgestumpft und sexistisch ich war. Ich bin ein Internet der Freiwilligkeit gewohnt, eines, das man abschalten kann. Dadurch schwang immer ein Gefühl das „es ist ja nicht so ernst“ mit. Ähnlich wie flamen schon immer ein Teil der Netzkultur war, aber bei weitem nicht so bitterer Ernst und so mies wie heute. Das Maß fehlt, eben wahrscheinlich auch deswegen, weil das Netz inzwischen Real Life ist. Es fällt nicht ins Gewicht, was man ernst meint und was nicht, wenn es hunderte und tausende Menschen machen. Man stimmt in einen Chor ein. Selbst ohne schlechte Absichten. Es würde auch reichen, wenn nur einer von einhunderttausend wirklich etwas im Schilde führt, man stärkt das Echo. Ich habe lange, sehr lange nicht Begriffen, wie ich Logiken aus überschaubar großen Communities auf das ganze Netz übertrage und damit ein Bild weiter verzerre, das so nicht aussieht. Das Netz ist wieder abschaltbar, noch überschaubar. Es ist ein gesellschaftlicher Lebensraum geworden. Ob ich will oder nicht, in diesem Raum wachsen meine Stieftocher und mein Stiefsohn auf. Selbst wenn ich nie auf Facebook mit Penisbildern um mich geworfen habe, habe ich verhalten gezeigt, dass das unterstützt. Trolle dürfen nicht gefüttert werden geht auch hier nicht weit genug. Trollen muss klar gemacht werden, dass sie Trolle sind. Trolle dürfen keinen Lebensraum haben.

 

Picture or it didn’t happen

Corona hat auch bei mir einiges verändert. Besser: Es ist noch dabei sich zu ändern. Als jemand mit einem großen Hang zur Reflexion war der Teil des Referendariats für mich ein Leichtes. Beruflich bin ich ständig am reflektieren über mein tun und wirken, dass man meinen könnte, ich wäre von Beruf Spiegel. Spiegel sind meist allerdings auch etwas anderes, eher flach. So hat es eine Mischung aus verschiedenen Fehlern und Dummheiten meinerseits und der Naturgewalt, die meine wundervolle Partnerin darstellt, gebraucht, um nicht nur über mich im Job, sondern auch über mich im Privatleben intensiv nachzudenken. Genau, wie ich gerade über den letzten Satz nachdenke. Der war zu komplex und die Kommata bestimmt nicht richtig. Das Denken darüber, was mir wichtig ist und wie ich handele, wurde von einem täglichen Strom an neuen Eindrücken, Dingen zu tun und Sachen zu machen unterbrochen. Man hat selten Urlaub von sich selbst. Dann kam Corona.

Entgegen der nachvollziehbaren Erwartung, ging mein Internetkonsum stark zurück. Das verwunderte mich als Vollblut Nerd doch eher sehr. Neben meiner Arbeit, vielen meine Freunde und auch Sport weg. Ich hatte auf einmal Zeit. Mehr Zeit als ich gebraucht habe. Wann hat man das in seinem Leben schon mal?

Ich habe gemerkt, dass ich dadurch Dinge intensiver erlebe. Ich habe weniger in meinem Leben und am Ende mehr davon. Viele Gewohnheiten habe ich als Quick Fix zwischendurch genutzt. Mein Job lässt mir immer wieder sehr wenig Freiraum und hat das Potential auch 28 Stunden eines Tages zu verschlingen. Ich nutze kurze Unterbrechungen, damit ich am Ende des Tages sage, ich habe heute gearbeitet. Und? Wie und? Gearbeitet!

Es sind Unterbrechungen, die mein Leben lebenswerter machen sollen indem sie verhindern, dass ich nur arbeite. Aber sie fügen meinem Leben nichts hinzu. Dabei sind mir gerade Social Media Verhaltensmuster aufgefallen, die ich von früher habe aber heute nicht mehr funktionieren. Das ist ein Beitrag für sich, es geht aber weniger darum, dass ich zu viel Social Media nutze, sondern dass es mir kaum noch etwas bringt. Davon ist instagram meine Lieblingsplattform und so kommen wir endlich zum Titel der Geschichte. Als Hobbyfotograf ist instagram natürlich das gelobte Land und trotzdem inzwischen für mich überflüssig (wieder: anderes Blogposting.) Über die letzten Monate habe ich immer weniger und weniger gepostet, aber auch sehr viel weniger geguckt. Ich habe das Gefühl, ich muss gucken. Nicht, weil ich sonst was verpasse. Das Wichtige erfahre ich, wenn auch später, irgendwann im Gespräch. Nein ich hatte (oder habe immer noch) die Sorge, dass sich dann die wichtigen Menschen in meinem Leben zu wenig wertgeschätzt fühlen. Zum einen, wenn ich zu wenig like. Zum anderen, wenn ich keine Bilder poste.

Natürlich poste ich gerne Bilder. Fast so gerne, wie ich sie mache. Aber wenn ich aus Zeitgründen Probleme habe, die Bilder zu posten, denke ich nicht als erstes: „Oh Schade, es macht mir so einen Spaß Bilder zu posten.“ Ich denke: „Hoffentlich denkt meine Familie jetzt nicht, dass ich den Urlaub mit ihnen nicht schön fand.“ Das ist dumm. Ich habe einen Job, der viel Zeit kostet, unter anderem auch, um mir viel leisten zu können (ok dafür gibts auch bessere Jobs). Den Freiraum, der mir bleibt, nutze ich für meine Familie, für meine Freunde und für mich. Anstatt 10 Minuten lang Bilder zu posten, könnte ich auch 10 Minuten meditieren, was mir hilft ein besserer Vater und liebevollerer Partner zu sein. Aber ich verbringe die Zeit mit dem innerlichen Zwang Bilder zu posten aus Angst, jemand könnte denken, dass ein realer Moment weniger real und wichtig dadurch wird, dass ich ihn nicht im Netz dokumentiere. Picture or it didn’t happen. Dafür bin ich nicht online gegangen, auch wenn es mich jetzt erwischt.

Das ist nur in mir. Ich baue diese Sorge auf. Dabei verbringe ich lieber 10 Minuten extra mit meinen Patchworkern als 10 Minuten Bilder über sie zu posten. So bleibt dann der Gedanke, dass ich zunehmend instagram abstinent werde und sich durch Corona noch einiges ändern wird. Jetzt wo ich ein Mal Zeit für alles hatte, das mir lieb und teuer ist, habe ich den großen Drang so sehr aufzuräumen, bis ich auch ohne Corona wieder Zeit für das Wesentliche haben werde. Das sind ganz voran Familie und Liebe, aber nicht die Dokumentation davon in glorifizierten digitale Poesiealben.

 

Flatten the curve

Unter #flattenthecurve versteht man die Bestrebung, die Ausbreitung des Corona-Virus einzuschränken. Die Fallzahlen sollen sich dabei nicht mehr exponentiell vergrößern, um das Gesundheitssystem nicht zu überfordern. Eine Überforderung geht mit vielen Toten einher, wie man in Italien beobachten kann. Exponentielle Funktionen sind nicht nur das unheilbringende Übel eines Oberstufenschülers, sondern auch einer gesamten Gesellschaft. Also tun wir das, was ich ungefähr mein halbes Studium lang getan habe. Wir bleiben drinnen, sitzen am PC, vor dem Fernseher und meiden das Sonnenlicht so sehr, wie der durchschnittliche Vampir.

Nach nicht noch mal zwei Wochen werden die ersten Stimmen laut, dass es nun auch mal gut sein müsse. Letztes Wochenende war ein Abflachen der Kurve zu beobachten. Woraufhin am Montag vermehrt zu hören war, wir können unsere Bunker bald verlassen. Nach einem erneuten Anstieg der Fallzahlen am Mittwoch bekam die Kurve eine erneute Spitze. Der Montag wurde damit zum „Sind wir schon da?“-Moment der Corona Krise und die Politiker zu den ungeduldigen Siebenjährigen auf der Auto-Rückbank. Meiner Meinung nach wäre eine Lockerung der Isolation auch bei einem leichten Abflachen der Kurve verfrüht. Wenn sich durch den Kontakt ein erneuter Infektionsherd bilden würde, wären alle einschneidenden Maßnahmen völlig umsonst gewesen und wir sind direkt bei #fattenthecurve. Außerdem denke ich, es ist auch noch völlig verfrüht darüber nachzudenken. Ich vermute, dass wir ein systematisches Problem mit den Fallzahlen haben und nicht, dass die Ansteckungsrate schon messbar sinkt.

An dieser Stelle kann ich nur vermuten, da ich die Prozesse von außen beobachte. Ich möchte es aber trotzdem versuchen, um aus dem Ganzen etwas Sinn abzuleiten. Ich gehe erst einmal davon aus, dass die Virologen Kekulé und Drosten die Wahrheit sagen. Beide nehmen unterschiedliche Positionen in der Krise ein und beleuchten das Thema von verschiedenen Seiten. Beide sagen, die Labore sind noch nicht ausgelastet. Sie schätzen das Arbeitsvolumen völlig unterschiedlich ein 200.000 – 500.000 Proben pro Woche, sagen aber auch beide, dass es eben nur eine ganz grobe Schätzung ist, weil sie keine belastbaren Zahlen dazu haben. Aber sie sind sich einig darin, dass noch Kapazitäten frei seien.

Das andere Ende sind die Menschen, die versuchen Tests zu bekommen. Da habe ich durch meine Schüler*innen und Bekannten zwar ein relativ großes Einzugsgebiet, aber keineswegs so groß, um wirklich etwas belastbares ableiten zu können. Fakt ist aber, dass die Richtlinien des Robert Koch Instituts relativ restriktiv sind, um die Anzahl der Tests niedrig zu halten. Trotzdem lassen die Gesundheitsämter immer wieder keine Tests zu bei Menschen, die diese Vorgaben erfüllen. Selbst wenn die Tests zugelassen werden, muss wie bei meinen Familienangehörigen teilweise zehn Tage gewartet werden. Wenn die Labore wirklich nicht ausgelastet sind, dann gibt es vielleicht einen Flaschenhals in dem die Menschen stecken bleiben.

Wegen meiner persönlichen Erfahrungen muss ich direkt an die Gesundheitsämter denken, da bin ich aber auch sehr voreingenommen. Dafür spricht jedoch, dass alles über die Gesundheitsämter läuft. Die Hausärzte überweisen die Patienten zwar an die Labore, der Kontakt läuft jedoch über das örtliche Gesundheitsamt. In Berlin ist es täglich von 13 -16 Uhr zu erreichen, in NRW immerhin teilweise von 9 – 13 Uhr. Arbeit am Limit in Krisenzeiten sieht allerdings anders aus. Das Ganze scheint auch mit relativ viel Papierkram verbunden zu sein, der sowohl postalisch als auch über Fax läuft. Email ist wohl auch eher die Ausnahme. Es gibt einfach in Limit, wie viele Anträge man pro Tag bearbeiten und Faxen kann. Außerdem werden die Corona-Daten an der RKI per Fax gemeldet. Auch da ist ein ziemlich fixes Limit, wie viele Faxe pro Tag ankommen. Eines nach dem anderen. Das führt dazu, dass manche Landkreise schon fünf oder mehr Tage nicht aktualisiert wurden.

Wir haben meiner Meinung nach keine exponentielle Steigerung der Zahlen mehr, weil wir so viele neue Fälle pro Tag nicht erfassen können. Das obere Limit ist die bürokratische Erfassung und nicht die neuen Ansteckungen. Die Kurve flacht über das Wochenende immer wieder ab und nimmt dann meist Dienstag wieder zu, was für mich auf dafür spricht, dass eben am Wochenende weniger bearbeitet wird und nicht, dass die Ansteckungen plötzlich zurückgehen. Die Social Distancing Maßnahmen sind richtig und wichtig. Nur so schnell bringen sie keine Ergebnisse. Vor allem müssen wir das Ganze durchhalten bis wir verlässliche Zahlen haben und nicht Gefahr laufen alles umsonst gemacht zu haben. Das entscheidet auch nicht im Laufe dieser Woche. Solange wir nicht mal hinbekommen alle Zahlen vernünftig zu erfassen und die John Hopkins University das für Deutschland scheinbar besser (sprich aktueller) macht als ein deutsches Institut, sollten wir weniger darüber nachdenken die Tore zu öffnen und an unserer Infrastruktur arbeiten. Denn das, wie wir an Italien (und den USA) sehen, rettet leben.

Geht man von den Aussagen Kekulés aus, dann wird es einige Zeit dauern bevor man Ergebnisse sieht. Es sind ungefähr fünf Tage bevor man Symptome zeigt, dann zwei Tage bis man einen Test bekommt und wieder mindestens einen Tag bevor man die Ergebnisse hat. Danach kommen vierzehn Tage Quarantäne. Im Optimalfall sind es also zweiundzwanzig Tage. Wir brauchen also Geduld.

Nachtrag:
Dieser Artikel liegt hier schon etwas rum und inzwischen scheint die Regierung gegen ein schnelles Ende der Isolation vorzugehen. Das halte ich für richtig, wenn auch gesellschaftlich belastend. Wir brauchen also noch etwas Sitzfleisch und Nervenstärke.

 

Corona und die Mediendemokratie

Was ich nicht sehe, das tötet mich vielleicht trotzdem.

Unsere Gesellschaft beruht auf der Übereinkunft, dass Zusammenarbeit in der Regel sinnvoller sei als sich pausenlos mit Keulen über die sieben Kontinente zu jagen. Nicht nur an Kriegen, Streits und Konflikten sieht man, dass es sich dabei nur um eine Übereinkunft, also einen Konzens handelt, nicht um ein Naturgesetz. Wir sind und bleiben Raubtiere, vernunftbegabt, aber Raubtiere. Wer einen kurzen Beweis möchte, der rollt ein Papierknäuel durch sein Zimmer und verfolgt es mit den Augen ohne den Kopf zu bewegen. Jetzt macht er dieselbe Bewegung mit den Augen ohne etwas zu verfolgen. Nicht so flüssig? Eher von Punkt, zu Punkt, zu Punkt? Kein Wunder, eure Beute fehlt – ihr habt nichts zum Töten.

Wer nun merkt, das ihm seine Augen nicht völlig gehorchen, der kann sich zumindest eingestehen, dass wir nicht immer unsere Sinne beherrschen, sondern sie auch uns. Wir glauben, was wir sehen, fühlen, hören, schmecken. Wir glauben weniger, was uns andere Berichten, das sie sehen, fühlen, hören, schmecken. Wir glauben am wenigstens, was andere Vermuten, das andere Vermuten, das jemand gesehen haben könnte. Trotz des (Über)Flusses an Bildern, ist es für Medien und insbesondere den Journalismus immer noch schwer potentielle sprich drohende Gefahren zu vermitteln.

Es findet Kommunikation und Aufklärung im Konjunktiv statt. Ein „was ich nicht sehe, das gibt es auch nicht“ führt uns gesellschaftlich nicht weiter, wenn eigentlich heißen könnte „was ich noch nicht sehe, das kommt vielleicht trotzdem.“ Corona stellt uns damit vor eine demokratische und mediale Herausforderung. Wir müssen handeln, bevor etwas Schlimmes passiert. Sobald es passiert, ist es nämlich schon zu spät. Wer nun meint, das sei einfach, der sollte bedenken, wie schwer es ist, sich an Neujahrsvorsätze zu halten. Wie schwer es ist, auf etwas zu verzichten, wenn man eine Diät macht. Bedenkt dabei nur, dass die Diät schon eine Reaktion auf einen Fehler war. Ihr (und anwesende Autoren inbegriffen) seid schon fett, weil ihr nicht schnell genug gehandelt habt. Übertragen auf Corona hieße das, es wären schon 120.000 Leute gestorben. Zack – Massenmörder, weil ihr die Finger von dem gottverdammten Donut nicht lassen konntet.

Andererseits hat jeder das Recht dick zu werden, zumindest in meinem Fall, waren damit auch sehr viele gute Momente verbunden. Wirklich alles ist besser mit Bacon.

Das macht die Sache natürlich komplizierter. Zum einen versuchen wir etwas zu diskutieren, das kommen könnte – oder nicht, zum anderen sollen wir jetzt darauf verzichten unser Leben zu genießen. Das ist nicht nur schwer zu kommunizieren, jeder hat darauf auch eine andere Antwort. Es stellt unsere Demokratie und auch unser Mediensystem vor eine dramatische Aufgabe. Aber nicht vor eine neue Aufgabe, es ist eine Aufgabe, bei der wir versagt haben.

Corona ist nicht das erste potentielle Problem. Das tragische Glück der Pandemie sind ihre unmittelbaren Auswirkungen. Ein anderes (nicht mehr allzu) zukünftiges Problem dessen Lösung wir auf Übermorgen verschieben, ist der Klimawandel. Und wir wissen, wie das gerade läuft.

Wenn unsere Gesellschaft auf Übereinkünften beruht, dann müssen wir darüber kommunizieren. Hoffentlich besser als beim Klimawandel. Wie das jedoch gehen soll, kann ich hier an dieser Stelle nicht beantworten. Das kann niemand – nicht alleine. Wir alle zusammen müssen sprechen, in uns gehen, nachdenken und sehen, was es uns wert ist, was wir vernünftig finden und was wir tun wollen. Das ist etwas, das man nur gemeinsam lösen kann und muss. Es macht uns vor allem auf eine Sache aufmerksam. Wir sitzen im selben Boot, das mögen wir zwar vergessen haben über die Nachkriegsjahre. Aber Krisen wie diese zeigen es deutlich. Jetzt müssen wir neue Übereinkünfte treffen oder uns bald erneut mit Keulen durch die Wildnis jagen.

 

Druck

Ich liege völlig verdreht und in mich gekehrt (auch im physischen Sinne) auf dem Bett. Draussen zirpen die Grillen, Drinnen rauscht und plätschert der Geschirrspüler. Außerdem brummt es. Leise, monoton und unaufhörlich. Das müsste dann die Katze sein. Durch den Kopf geht mir aber nur das Wort „Druck“, wie ich es erkläre, wie ich es aufschlüssle und vielleicht selbst erst einmal begreife.

Ich denke in den letzten Monaten sehr viel darüber nach, da ich immer mehr und mehr Druck verspüre. Stress kenne ich, Leistungsdruck auch. Aber der Druck ist anders. Er ist nicht auf eine bestimmte Sache bezogen, sondern allgegenwärtig. Ich stelle mir viele Fragen. Empfinde ich nun einfach nur viel verschiedenen Druck, auf viele Dinge bezogen? Ist da eine Sache, die mir alles unter Druck setzt? Antworten habe ich keine. Allerdings hat mir das Schreiben immer dabei geholfen, Antworten zu finden. Und wenn nicht – dann zumindest dabei, die richtigen Fragen zu stellen.

Eine der Fragen wäre, was denn mein dafür sorgt, dass der Druck immer mehr ansteigt als wäre ich der Dampfdrucktopf meiner selbst. Warum lässt er nicht nach, wenn etwas erledigt ist. Ist das Ventil verstopft oder in meinem Alter eher verkalkt? Die andere Frage wäre, warum ich denn so wenig Zeit zum Schreiben und Meditieren aufbringen kann. Die dritte Frage wäre, was ich denn befürchte. Ich habe mal gesagt, dass hinter fast allem die Angst steht, mit etwas nicht fertig zu werden. Der Druck kommt auf jeden Fall auch durch die Angst, es alles nicht zu schaffen. Aber wenn ich dann an die Konsequenzen denke, dann habe ich vor denen keine Angst. Egal, was mir beruflich Blühen würde, ich denke inzwischen, ich komme mit dem Schlimmsten immer klar. Dafür habe ich zu viel Mist zu Stroh zu Gold gesponnen.

Während ich diese Zeilen schreibe, dämmert mir, dass die Angst vor dem Schlimmsten wirklich nicht das Problem ist. Es ist die Angst vor dem Zweitschlimmsten. Neu anfangen fällt mir inzwischen leicht. Aber nicht neu anzufangen und in einer schlechten Situation gefangen zu sein, das eher nicht. Mit dem Zweitschlimmsten meine ich, etwas zu verlieren, aber nicht alles. Auf Wertvolles zu verzichten, aber nichts neues schaffen zu können. Auf der Stelle zu treten. Besonders, wenn die Stelle voller Hundescheiße ist. Und ich barfuß laufe. Und die Hunde Nägel gefressen haben. Und meine Tetanus Impfung abgelaufen ist.

Darüber denke ich jetzt nach. Unter dem Brummen der Katze, dem plätschern des Geschirrspülers und dem Schreien der Nachbarn, die die Grillen übertönen. Und hoffentlich bald wieder hier.

 

Für eine Handvoll Bytes

Ich habe Mist gebaut. Mehr als das. Als ich gestern an einem etwas hochwertigerem Beitrag für den Blog arbeiten wollte (ja, ehrlich), musste ich den Tod meiner einen Festplatte feststellen. Ohne vorheriges Anzeichen, trat sie in die ewigen Datengründe über. Wie der Zufall so will, war sie die wichtigste der sechs Festplatten in meinem Rechner. Die mit den Fotos. So verlief nicht nur das Blogposting, sondern auch der ganze Tag anders als erwartet. Statt einem letzten entspannten Wochenende, begannen zwölf Stunden Wiederbelebungsversuche, die letztendlich vergebens waren. In über 25 Jahren mit einem eigenen PC, ist das mein erster Datenverlust. Aber ich habe ja noch meine Backups.

Oder auch nicht. Man sollte im Referendariat nichts Wichtiges machen. In einer prokrastinationsbasierten Sortieraktion habe ich zwar meine Fotos aufgeräumt, aber sie aus dem Backup rausgeräumt. Mit anderen Worten, ich habe kein Backup mehr.

Zwölf Jahre Fotos sind nun weg. Meine Gefühle sind gemischt. Es sind so viele schöne Fotos dabei, die ich noch bearbeiten, drucken und aufhängen wollte. Es ist so viel Mist dabei, den ich immer löschen wollte, es aber nicht konnte. An den Fotos haften nicht nur positive Erinnerungen und der ganze Ballast ist nun weg. Es warten nicht mehr ein-, zweitausend Fotos, die noch gesichtet und bearbeitet werden müssen. Dieser Kahlschlag ist auch eine kleine Erleichterung und passt zur Zäsur, die mein Leben gerade erfährt. Neuer Job, neue Schule, neue wunderbare Menschen in meinem Leben – warum nicht Altes hinter sich lassen?

Für gut 500€ – 1000€ könnte ich eine professionelle Datenrettung in Auftrag geben. Pro Foto gerechnet, sind das nur ein paar Cent. Aber realistisch bleiben das gottverdammte eintausend Euro. Daher auch das Philosophieren über den Wert der Fotos. Als erstes dachte ich, ich komme realistisch betrachtet nie dazu, alle Fotos zu bearbeiten und zu posten. Das stimmt. Aber liegt da nicht ein Fehler? Hat nur etwas einen Wert, das ich poste, teile und likes bekomme? Nein, weil ich für mich mit der Fotografie angefangen habe und letztendlich auch immer noch für mich fotografiere. Natürlich möchte ich sowohl Bestätigung als auch, dass meine Fotos anderen gefallen. Aber ich fotografiere weiterhin für mich.

Ich werde morgen einen Kostenvoranschlag einholen und sehen, was auf mich zukommt. Ich bin mir noch nicht sicher, was ich mache. Ein Schnitt kann auch für die Kreativität ganz heilsam sein. Es ist ein merkwürdiges Gefühl. Wir sind es so sehr gewohnt, dass Bilder unendlich oft vervielfältigt und geteilt werden können. Plötzlich sind die Fotos an meiner Wand, die letzten ihrer Art.

PS: Seid kein Nerdmeyer, macht immer doppelte Backups.

 

Weiter. Gehen.

Jeder Anfang ist ein neues Ende. Das habe ich ganz beiläufig zu einer Freundin gesagt und muss seitdem darüber nachdenken. Es stimmt. Als ich diesen Blog hier vor einem Jahr startete und damit das Referendariat begann, war mir nicht klar, dass sich die Zeit bis heute wie die längste Woche anfühlen würde. Gestern habe ich meine Prüfung bestanden und heute fühle ich mich, als hätte ich die Zeit in einer Höhle verbracht. Als hätte für mich die Zeit stillgestanden und um mich herum wäre alles weiter gegangen.

All die Menschen, die mein Herz berührt haben und denen ich mich verbunden fühle, kleine wie große, müssen bald Abschied nehmen. Der Abschied hat auch schon begonnen. Langsam gehe ich weiter. Ich möchte nicht. Aber wenn man nicht mit anderen gehen kann, bleibt nur übrig stehenzubleiben. Man mag sich zwar einbilden, dass das geht. Jedoch funktioniert es nie völlig. Aber weitergehen heißt nicht weggehen. Wir nehmen immer etwas mit, tragen es weiter in uns. Das wenigste muss enden, es verändert sich nur. Kontakte kann man halten, wenn auch nicht einfrieren.

Wenn man nicht weggeht, sondern weitergeht wird man weiter gehen. Damit meine ich, man bekommt mehr. Es geht weiter, in Sinne von etwas wächst, es geht über sich hinaus und wird größer. Aber dazu muss man Veränderungen akzeptieren, Erwartungen los lassen und nicht ständig davor Angst haben, was passieren könnte! Es würde schon reichen, nur zu beobachten, was gerade in diesem Moment geschieht. Statt der Angst vor einem Möglichen Schaden, könnten wir auch betrachten, wie etwas ungewohntes in unser Leben passt. Dann geht es weiter. Man geht weiter. Und nicht immer nur weg.